Musik-kognitive Therapie: eine Reise zu sich selbst durch Musik
Nach den Worten von Professor H.-H. Decker-Voigt (1991) ist Musiktherapie eine Vielzahl individueller Ansätze, von denen jeder die Einzigartigkeit des Therapeuten widerspiegelt. Diese zeitgeprüfte Idee inspiriert und unterstützt die kreative Suche.
Das vorgestellte Modell betrachtet den Therapeuten als Wegbegleiter, der seinen eigenen sensorischen Apparat auf maximale Resonanz mit der inneren Anfrage des Patienten einstellt. In einem sicheren musikalischen Raum entfalten sich psychodynamische Prozesse, bei denen eine ursprüngliche Anfrage einen therapeutischen Dialog aus Wahrnehmung und Reaktion auf ausgewählte Musik einleitet und Veränderungen in eine individuell bedeutsame Richtung lenkt. Grundlage ist das Prinzip der personalisierten Musikauswahl.
Der Einstieg erfolgt durch das Eintauchen in Musik, die dem aktuellen Zustand des Patienten am meisten entspricht, gefolgt von einer Reaktion und deren Bewusstwerdung. Dies kann über einen verbalen Dialog oder eine andere sensorische Modalität geschehen, die es ermöglicht, erlebte Empfindungen auszudrücken und zu verstehen. Der Therapeut unterstützt diesen Prozess durch aktives Zuhören und verbale Interaktion. Während der Besprechung der musikalischen Eindrücke hilft der Therapeut, diese in einen verbalen Dialog zu überführen, wobei oberflächliche Bewertungen vermieden und bildhafte Vorstellungen, psycho-emotionale Reaktionen und körperliche Empfindungen in den Mittelpunkt gestellt werden, die beim Hören entstanden sind. Falls erforderlich, wird dem Patienten eine alternative Reproduktion des musikalischen Erlebnisses über andere sensorische Kanäle (Visualisierung, Modellieren, Schreiben, Bewegung) angeboten, was eine neue Deutung des Erlebten, Integration in einem neuen Kontext und das Erkennen eigener Reaktionen ermöglicht.
Das angestrebte Ergebnis ist das Bewusstwerden eigener Reaktionen – ihrer Gewohnheit, Stereotypie, ihres Komforts oder Schmerzes. Die Übertragung des musikalischen Eindrucks in eine andere Modalität eröffnet eine zusätzliche Möglichkeit für ein tieferes inneres Verstehen eigener Gefühle und Sichtweisen sowie das Erkennen ihrer funktionalen Rolle in der aktuellen Lebensphase (z. B. Schutz, Desadaptation). Dieser Abschnitt ist entscheidend für das kognitive Bewusstsein des Erkannten und die Bestimmung des weiteren therapeutischen Weges. Der Therapeut, als Begleiter bei der Musikauswahl und sensibles „Spiegelbild“, führt den Patienten durch das Festhalten musikalischer Eindrücke, deren mentale Verarbeitung und eine veränderte Wahrnehmungsperspektive. Doch nur der Patient selbst bestimmt die persönlich bedeutsamen Bedeutungen, was die autotherapeutische Natur dieses rezeptiven Musiktherapie-Ansatzes unterstreicht.
So lenkt der Therapeut die Musikauswahl abgestimmt und lädt dazu ein, „gesunde“ und „schmerzhafte“ Musik in einer komfortablen Modalität zu erforschen. Musik dient als Medium der primären Diagnostik und der Entwicklung therapeutischer Beziehungen. Doch der musikalische Raum garantiert keine absolute Sicherheit und kann tiefgreifende Reaktionen hervorrufen – besonders bei Patienten mit traumatischen Erfahrungen – was ein Bewusstsein des Therapeuten für Übertragungsphänomene, Gegenübertragungen und die Aktivierung von Abwehrmechanismen erfordert.
Musik – ein emotionaler Anker
In der musik-kognitiven Therapie ist Musik ein emotionaler „Anker“, der die primäre Aufmerksamkeit auf eine assoziativ wahrgenommene Erinnerung oder einen psychophysischen Zustand richtet („Ich höre – ich erinnere – ich fühle“). Der „gehörte“ Zustand wird anschließend bewusst gemacht und in eine andere Modalität überführt (verbaler Dialog, Schreiben, Visualisierung, Bewegung), als Reaktion auf die Realität und mit dem Ziel, das Erkannte zu verstehen und Möglichkeiten der Umwandlung unangenehmer Vorstellungen in akzeptable, adaptive zu finden. So ist musik-kognitive Therapie ein kreativer Weg emotional-mentaler Wiederherstellung, Transformation und Entwicklung.
Bildlich erinnert das vorgestellte Modell rezeptiver Musiktherapie an die Empfehlung: „Spiele mit heißem Herzen und kühlem Verstand.“ Gleichzeitig ist es eine Art Palindrom kognitiver Techniken. Ziel beider Ansätze ist die Neubewertung der Wahrnehmung. Doch während die kognitive Psychotherapie mit der Fixierung von Emotionen und Gedanken beginnt, startet die musik-kognitive mit einem projektiven musikalischen Raum, der über Empfindungen in einen verbalen Kontext führt. Der Prozess endet mit der mentalen Selbstwahrnehmung der auf sinnlicher Ebene stattgefundenen Veränderungen, die individuell lebensfähig sind. Die mentale Anpassung erfolgt über die Projektion des Gefühls, über Reaktion und Bewusstwerdung hin zu einer Sinnneubewertung und einer veränderten Sichtweise auf das Problem (die Anfrage des Patienten).
Musikmedizin und Therapie. – Kyjiw: Interservis, 2025. – 114 S.
ISBN: 978-966-999-514-8
[Buch auf Ukrainisch]
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